Von Helmut Seßler
Kaufentscheidungen fallen nicht aus rationalen Gründen – auch wenn Kunden und Verkäufer das glauben. Entscheidungen werden vielmehr, so belegt die Hirnforschung, im limbischen System getroffen. Dort ist das jeweilige Emotionssystem beheimatet, das eine Person bevorzugt. Muss der Verkäufer nun lernen, in welchem Hirnlappen unser Lustzentrum angesiedelt ist und wo die Emotionen entstehen?
Nun, das ist nicht notwendig. Es geht um die Praxisanwendung der Ergebnisse der Hirnforschung. Der Verkäufer sollte auf Kundenseite die positiven Emotionen maximieren, zugleich negative Emotionen minimieren und es vermeiden, beim Kunden Unlustgefühle entstehen zu lassen. Voraussetzung ist, dass er das Emotionssystem eines Kunden einschätzen kann.
4 Emotionssysteme – 4 Kundenwelten
Welche Emotionssysteme gibt es ?
– Stimulanz-System: Diesen Kunden geht es um Freude, Spaß, Abwechslung und Abgrenzung, sie lieben das Neue, Unbekannte, Innovative, sie wollen anders sein als die Anderen, sich vom Durchschnitt abheben.
– Dominanz-System: Ihnen sind Ergebnisse und Macht wichtig. Sie wollen als aktive und handlungsfähige Menschen anerkannt werden und besser sein als andere, einen Wettbewerbsvorsprung erringen und an der Spitze stehen.
– Balance-Unterstützer-System: Diesen Menschen geht es um Beziehungen, Geborgenheit und menschliche Wärme. Sie wollen als vertrauensvoll und wertvoll angesehen werden und freuen sich, wenn sie anderen Menschen helfen können.
– Balance-Bewahrer-System: Wichtig sind diesen Menschen die Daten und die belegbaren Fakten. Sie wollen als vernünftig und objektiv urteilende Menschen gelten, scheuen jede Veränderung und agieren sicherheitsorientiert.
Positive Kaufsituationen kreieren
Unklug ist es zum Beispiel, Dominanz-Kunden mit zu aufdringlichen Empfehlungen zu drangsalieren: „Dieses Produkt müssen Sie unbedingt erwerben“ – das schreckt diesen Kunden ab. Er will die Kaufentscheidung selbst treffen, ansonsten fühlt er sich gedrängt und unwohl. Und negative Gefühle sind pures Gift für positive Kaufentscheidungen.
Konstruktiv hingegen ist der Hinweis, der Dominanz-Kunde könne sich durch den Erwerb eines Produktes die Anerkennung oder gar Bewunderung seiner Kollegen und Freunde erwerben. Beim Stimulanz-Kunden hilft das Argument, das Produkt kenne noch nicht jeder – wenn der Kunde es ersteht, beweist er, dass er offenkundig „anders ist als die Anderen“.
Den Kunden mit bevorzugtem Balance-Unterstützer-System spricht der Verkäufer freundlich und offen an. Er stellt auf der Beziehungsebene eine Verbindung her, belegt Aussagen mit Beispielen, die zeigen, wie er anderen Menschen bereits geholfen hat, ihre Ziele zu erreichen, und bringt eigene Erfahrungen ein. So baut er Vertrauen auf.
Bleibt der Kunde mit bevorzugtem Balance-Bewahrer-System: Der Verkäufer präsentiert am besten erprobte und sichere Konzepte und Produkte, die dem Kunden das Gefühl der Sicherheit geben. Er arbeitet mit Zahlen, Daten und Fakten, geht ins Detail und schweift nicht ab.
Das Persönlichkeitsprofil des Kunden erkennen
Den allein selig machenden Buy-Button bietet auch Limbic Sales nicht. Aber es revolutioniert traditionelles Verkaufen, weil es der Bedeutung der Emotionen, Werte und Motive des Kunden für seine Entscheidungen den gebührenden Stellenwert einräumt.
Wie jedoch erkennt ein Verkäufer zuverlässig, mit welchem Kundentyp er zu tun hat? Natürlich: Je länger die Kundenbeziehung andauert, desto präziser fällt die Einschätzung aus. Wie aber schaut es mit unbekannten Kunden oder Personen aus, denen der Verkäufer erst zum zweiten oder dritten Mal begegnet?
Um Denk- und Verhaltenspräferenzen sowie Persönlichkeitsprofile einschätzen zu können, bedarf es der Übung. Wer seine Wahrnehmungsfähigkeit schult, kann an Indikatoren wie der Körpersprache, also an Aspekten wie Haltung, Dynamik und Bewegung, eine erste Einschätzung wagen, um diese im Gespräch zu vertiefen. Aber auch die Sprechweise, die Stimme – also Lautstärke, Modulation und Tempo – und die Wortwahl, die verwendeten Formulierungen und Inhalte sowie die Werte, die einem Menschen wichtig sind, sind von Bedeutung, wenn es um die Einschätzung des Emotionssystems geht. Wie ist der Kunde gekleidet? Wie tritt er auf – eher bestimmend oder eher zurückhaltend? Geht er forsch, aktiv und gesprächig vor, wenn er eine Frage stellt? Wie drückt er sich aus, welche Sprachbilder benutzt er, ist er ernst oder kommunikativ-heiter? All diese Beobachtungen helfen, zu einer immer konkreteren Einschätzung zu gelangen.
»Limbic Sales verändert traditionelles Verkaufen, weil es den Emotionen des Kunden hohen Stellenwert einräumt.«
Dabei sollte der Verkäufer auch an die Selbsteinschätzung denken. Denn wenn der dominante Verkäufer und der beziehungsorientierte Kunde mit ihren unterschiedlichen Emotionssystemen aufeinander prallen, droht das berühmt-berüchtigte Aneinandervorbeireden. Verkäufer, die um ihr bevorzugtes Emotionssystem wissen, sind eher fähig, in die Welt des Kunden einzutauchen. Unter www.intem.de/schnelltest findet sich ein Test, mit dem Verkäufer ihr bevorzugtes Emotionssystem feststellen können.
Helmut Seßler
ist Verkaufstrainer und -Ausbilder, Gründer und Geschäftsführer der INtem Gruppe sowie Autor des Buches „Limbic Sales“. helmut.sessler@intem.de