Von Sven Oliver Sackers
Führungskräfte sind viel beschäftigte Zeitgenossen und stets schwer erreichbar. Da sie für eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen die zuständige und oftmals auch letzte Entscheidungsebene darstellen, sind sie stets dicht umlagert. Sich gegen die Unmenge konkurrierender Kaltkontakter durchzusetzen, setzt ein hohes Maß an Kommunika-tionsfähigkeit voraus. Dieser Artikel zeigt, wie es mit Kreativität und Emotion doch gelingt, erfolgreich die Management-Ebene zu adressieren.
Versetzen Sie sich in die Lage eines Vorstandsvorsitzenden aus einem erfolgreichen Unternehmen, das mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Ihr Tag beginnt morgens um 8 Uhr mit dem ersten Meeting. Die Führungsetage ist zu Gast in Ihrem größten Besprechungsraum. Jeder der werten Kolleginnen und Kollegen hat eine lange Liste von Fragen und Entscheidungen, die er mit Ihnen besprechen möchte. Sie dürfen entspannt am Ende der Tafel Ihren Platz einnehmen und Ihrem Assistenten dabei zuhören, wie er die Besprechung eröffnet.
Zuerst meldet sich der Finanzvorstand zu Wort, er berichtet ausgiebig von den aktuellen Zahlen, Daten und Fakten. Es vergehen 60 Minuten. Sie erhalten eine Zusammenfassung als Handout.
Dann folgen 15 weitere Bereichsleiter mit ihren Fragen, Wünschen und Anregungen.
Die erste Pause ist für 14 Uhr eingeplant. Dazwischen bleibt Ihnen nur eine kurze Pause für die natürlichen, menschlichen Bedürfnisse.
»Die einzige Möglichkeit,
Menschen zu motivieren,
ist die Kommunikation.«
Lee Iacocca
Stellen Sie sich vor, wie viel Zeit Ihnen am Tag bleibt, um neue Lieferanten persönlich kennen zu lernen. Wie lange Sie sich mit sozialen Netzwerken beschäftigen oder wann Sie Zeit für ein persönliches Telefonat aufbringen können.
Sie haben einen gut strukturierten Tagesablauf, eine persönliche Assistenz und Sie vertrauen dieser zu mehr als 100 Prozent, denn ohne dieses Vertrauen wären Sie hoffungslos mit Ihrem Tag überfordert. Ihr Assistent erzählt Ihnen auf der Fahrt zum Flughafen von einem spannenden neuen Tool, das Ihnen im aktiven Vertrieb zu einer Kosteneinsparung von rund 50 Prozent verhelfen könnte. Wie reagieren Sie? Genervt? Gestresst? Oder total entspannt und offen für alles Neue was da kommen mag. 90 Prozent der Manager und Managerinnen reagieren wahrscheinlich genervt. Mit Ablehnung und Desinteresse.
Woran liegt es, dass Sie im Vertrieb keinen Termin auf der Führungsetage oder gar auf der Vorstandsebene erhalten? Wahrscheinlich daran, dass Sie Vertrieb so verstehen, wie Sie ihn vor Jahren gelernt haben. So wie alle anderen auch. Sie telefonieren viel. Sie erreichen Menschen in ungünstigen Situationen. Sie schreiben E-Mails und versenden Produktinformationen als PDF Datei. Dazu eine standardisierte PowerPoint Präsentation und die alljährliche Weihnachtsnachricht wahlweise per Postkarte, per E-Mailvorlage oder per SMS.
Aus meiner Erfahrung von 13 Jahren Selbständigkeit kann ich Ihnen versichern, ich habe mich knapp 10 Jahre lang genauso verhalten. Ich habe mich dabei zeitweise gefühlt wie bei der fünften Wiederholung von „Dinner for one“.
»Die Stimme eines Menschen
ist sein zweites Gesicht.«
Gérard Bauer
Dann habe ich einen Menschen kennengelernt, der mich verwundert hat. In seinem Vertriebstraining hat er uns durch ein Hotel geschickt. Erst ohne etwas zu sehen. Dann ohne etwas zu hören. Es war verblüffend, wie schwer es einem fällt, Hindernisse zu erkennen und noch dazu von einem anderen Menschen zu 100 Prozent abhängig zu sein. Dieses Gefühl kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt schlicht und ergreifend nicht.
Es gab an diesem Tag viele Aufgaben und viele neue Situationen. Dann kurz vor dem Ende berichtete er mir, dass jede meiner Handlungen vorhersehbar war und dass er ganz genau wusste, wie ich in dieser neuen Situation reagieren würde.
In Angstsituationen oder in Situationen, die uns unbekannt sind, handeln wir genauso, wie wir es gelernt haben. Alle auf die gleiche vorhersehbare Weise.
Was wäre also, wenn wir gezwungen wären uns so zu verhalten, als hätten wir nie vorher Vertrieb gemacht? Wie würden wir auf einen Interessenten zugehen? Würden wir ihn mit einer Standardfloskel ansprechen? Ihm zuerst unser ganzes Leben erzählen, bevor wir ihn kennen gelernt haben? Ich vermute, dass Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir es anders machen würden.
Mir zumindest ging es so, als ich einige Wochen später überlegt habe was man denn eigentlich anders machen könnte. Ich habe einen vierjährigen Sohn der zu Weihnachten einen Kaufladen geschenkt bekommen hat. Ich beobachtete stundenlang, wie er in immer wiederkehrenden gespielten Verkaufssituationen anders reagierte. Er begrüßte einen Kunden nie ein zweites Mal auf die gleiche Weise, er war stets freundlich, aber auch sehr direkt. Wenn ein Kunde vergessen hatte zu bezahlen, sagte er „Ey, Sie haben noch nicht bezahlt!“ oder „Erst zahlen, dann genießen!“, seine Kreativität schien keine wirklichen Grenzen zu kennen. Besonders interessant wurde es, als ein Besucher unseres Hauses nicht bei ihm einkaufen wollte. Denn da fing er ohne lange zu überlegen an, ein paar Kekse aus dem Schrank zu holen und machte dem Gast den Mund wässrig. Er war zuvorkommend, lächelte viel und zog sich dann wieder zurück. Irgendwann hatte er sein Ziel erreicht, der Gast setzte sich zu ihm auf den Boden und wollte einkaufen. Jetzt entgegnete er „Es tut mir leid, wir haben leider schon geschlossen!“. Die Ehrlichkeit und die Kunst, wie er freundlich und direkt seine Emotionen zum Einsatz brachte, faszinierten mich auf eine ganz besondere Weise. Er war fortan meine persönliche Inspiration. Ich beschloss, unsere Welten einander anzunähern. Wer von einander lernen will, der muss sich zuerst in die Situation des anderen hineinversetzen können. Denn was ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Laut Definition bedeutet „Sympathie“ „mitleiden“. Wer also seinem Gegenüber keine Möglichkeit bietet mit ihm zu leiden, also mit ihm zu fühlen, der wird die viel gelobte Sympathie wohl nie erzeugen bei seinem Gegenüber. Wir bekamen ein immer besseres Gespür füreinander und lernten die Blickwinkel des anderen in Rollenspielen kennen. Mal war er der Verkäufer, dann war er der kritische Kunde. Als Programmierer bin ich es gewohnt, die Prozesse meiner Kunden in Bits und Bytes zu verwandeln, Diagramme zu entwerfen und Arbeitsprozesse zu vereinfachen. Das Gleiche wollte ich nun auch hier einmal versuchen.
Da mein Sohn weder eine E-Mail noch einen Brief schreiben konnte, musste ich zunächst einen Weg finden, damit er mit seinen „Kunden“ kommunizieren konnte. Da Schreiben ausfiel, blieb nur das Sprechen.
Ich habe eine kleine Anwendung programmiert, mit der er, wie bei meinem alten Kassettenrekorder, seine Stimme aufzeichnen konnte. Drei Tasten waren ausreichend. Eine zum Aufnehmen, eine zum Anhören und eine dritte zum Versenden der Nachricht.
Es vergingen keine fünf Minuten, da hatte er durch das einfache Ausprobieren verstanden, dass er mit Rot aufnehmen, mit Grün sprechen und mit dem Briefumschlag seine Nachricht versenden konnte.
Die erste Sprachnachricht von einem Vierjährigen war geboren.
Sie klang ungefähr so: „Hallo Oma, ich lade Euch ein. Hab heute Namenstag. Kommt vorbei. Ich liebe Euch, Küsschen, schaui.“ Einfach auf den Punkt gebracht. Ohne Umwege geradeaus aufs Ziel zugehend.
Ich war stolz wie Oskar und verblüfft hoch zehn, wahrscheinlich nicht weniger als alle Gäste, die diese Einladung per SMS erhalten haben und zahlreich erschienen sind.
Einige Wochen später war ich auf einer Unternehmerveranstaltung und lauschte einem Vortrag des Vorstandsvorsitzenden eines großen deutschen DAX30 Unternehmens. Es wurde applaudiert und dann sah ich meine große Chance. Ich ging auf den Vorstand zu, als er den Saal verlassen wollte und fragte selbstbewusst nach seiner Karte. So wie mein Sohn es vermutlich getan hätte, wenn er gewusst hätte, dass dies eine gute Idee ist. Zu meiner Verwunderung blickte er mich an, lächelte und reichte mir seine Karte mit den Worten: „Sie haben Glück, es ist meine letzte Karte“. Dann ging er weiter und ich war an diesem Abend der wohl glücklichste Mensch der Welt.
Am kommenden Tag erinnerte ich mich an die Sprachnachricht von meinem Sohn. Ich dachte mir, genau das machst Du jetzt auch. Ich zeichnete eine persönliche Sprachbotschaft auf und sendete diese per E-Mail als Link an den Vorstand. Die Freude und das Lächeln muss man gehört haben.
Zwei Wochen später erhielt ich einen Anruf von besagtem Vorstand mit einem Kompliment für diese innovative Art der Erstansprache. Das hätte ich beim besten Willen nicht erwartet.
Mein Fazit
Sei anders als alle anderen. Sprich jeden Menschen unmissverständlich an und zeige Deine Emotionen. Sprich klar, laut, deutlich und nicht zu schnell. Zeig ein Foto von Dir, damit man weiß, wer Du bist. Gib Deinem Gegenüber die Möglichkeit, Dich zu kontaktieren. Sowohl per E-Mail, mit einer SMS oder am Telefon.
Begeistere Dein Gegenüber, indem Du ihm auf einer persönlichen Ebene respektvoll begegnest. Ruf ihn nicht unangemeldet an und vereinbare immer einen Termin. Sei Du selbst und spiele keine Rolle. Behandele die Assistenz genauso wie den Vorstand. Erschlage Dein Gegenüber nicht mit Fachbegriffen. Versetze Dich in die Situation Deines Gegenübers und frage Dich, ob Du in dieser Situation, zu dieser Zeit oder mit diesen Worten gerne angesprochen werden möchtest. Mache Dir klar was Du willst und lerne, danach zu fragen. Behalte die kostbare Zeit im Auge.
Vertrau‘ auf die Kraft Deiner Stimme.
Viel Erfolg!
Sven Oliver Sackers
startete direkt nach der Schule in die Selbständigkeit und ist seit 13 Jahren als EDV-Unternehmer aktiv. info@svensackers.de