Vertrieb von Software – Platzhirsch, Bambi, oder schlauer Fuchs?

Von Holm Egerland

Ihr idealer Software-Partner ist ein schlauer Fuchs und teilt die Gans mit Ihnen. Der Markt präsentiert sich heute mit einer Vielzahl von nationalen und internationalen Anbietern von Unternehmenslösungen aus unterschiedlichen Bereichen mit mehr oder minderen unternehmenskritischen Wert. Noch größer ist die Anzahl der „Vertriebsprofis“, die um die Gunst der Kunden buhlen.

Interessant ist zu beobachten, in welchem Zusammenhang die jeweilige Marktposition des anbietenden Unternehmens und das Auftreten der Repräsentanten während des Verkaufsprozesses stehen. Metaphern, wie beispielsweise das Revierverhalten des Rotwildes zeigt markante Parallelen auf. Besonders auffallend ist das pathetische Auftreten der Platzhirsche, die sich aufgrund einer Marktführerschaft des Verkaufserfolges sicher sind und niemanden neben sich dulden. Man darf in solchen Situationen mitunter erleben, wie Marktbegleiter verbal „geforkelt“ werden. In solchen Situationen sollte sich der Entscheider fragen, ob er dem Lieferanten wichtig genug ist, um seine Belange und Anforderungen voll umgesetzt zu sehen.

Die heutige Realität ist, dass beinahe alle Prozesse in Unternehmen internetzentrierter und damit schnelllebiger werden, was den potentiellen Nutzer, aber auch den Anbieter solcher Lösungen vor neue Herausforderungen stellt. Entscheider sollten hier den Anbieter dahingehend bewerten, ob der Anbieter auch das notwendige visionäre Potential besitzt, sich den neuen Anforderungen anzupassen. Bezogen auf die Metapher im Tierreich bedeutet es: ist das Rotwild in der Lage die ausgetretenen Pfade zu verlassen, um sich neue Äsungen zu erschließen. Hier ist eine der Entscheidungsgrundlagen die Anpassungsfähigkeit des jeweiligen Anbieters, die es zu beurteilen gilt.

Vertrauen sowie Ehrlichkeit waren und sind nicht unbedingt die Attribute, mit denen sich die Zunft des IT-Vertriebs auszeichnet. Nur zu oft ist die Rede von der „Clever-en Lösung“, die grundlegend die IT-Prozesse Ihres Unternehmens revolutioniert, Ressourcen besser nutzbar macht, Budgets optimiert, Daten applikationsübergeifend zur Verfügung stellt und für perfekte Sicherheit sorgt. Werbeslogans, wie: „Wir haben die CRM oder ERP-Lösung out of the box“ hört man heute noch. Auch die Legobausteine der Komponentenapologeten sind heute im Zeitalter der „Clouds“ noch nicht aufgebraucht. Am Ende: Das Versprochene wurde nicht ge-halten. Der prophezeite ROI bleibt aus und der Partner erweist sich als wenig service- und kundenorientiert. Und Bambi hat nicht überlebt.

IT-Entscheider, insbesondere von produzierenden Unternehmungen, stehen vor der Herausforderung bei der Einführung neuer Softwarelösungen auf der einen Seite dem Vorurteil „IT ist immer zu teuer“ den finanziellen Vorgaben der eigenen Geschäftsleitung gerecht zu werden. Auf der anderen Seite, das eigene Versprechen: „Meine Lösung ist weißer als weiß“ einzuhalten und die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Da die benannten Werbeversprechen kaum werthaltig und Vertriebsmitarbeiter selten in der Lage sind, die Kosten-Nutzen-Aspekte für das jeweilige Unternehmen darzustellen, bleiben dem Entscheider neben dem Gartner Magic Quadrant oder andere kommerzielle Communities nur die eigene Menschenkenntnis, die Kenntnis seiner eigenen Prozesse und Kostenstrukturen und eben das oben erwähnte Vertrauen in die Ehrlichkeit des gewählten Partners.

Unbenommen, ein gut strukturierter Vertrieb ist die Basis für erfolgreiche Softwareprojekte und nicht alle IT-Vertriebsmitarbei-ter sind schwarze Schafe.
Die Kunst ist, sich aus der breiten Masse abzuheben und den potentiellen Kunden mit deren Sprache anzusprechen und deren Herausforderungen im Tagesgeschäft exakt zu hinterfragen. Wie wirkt wohl die Methode des „Ängste schüren“ von Vertriebsmitarbeitern auf die Entscheider der Automobilindustrie Sicherheitsvorkehrungen auf die einzelnen Arbeitsplätze zu verlagern, ohne die Sicherheitsvorkehrungen des Unternehmens in der Gesamtheit zu kennen? Welche Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und Flexibilität der Ingenieure hätte ein solcher Paradigmenwechsel in Sicherheitsfragen? Wer hier als Sparrings Partner, schlauer Fuchs agiert, die richtigen Fragen stellt, führt zu den optimalen Lösungsmodulen. Je ehrlicher und schlauer der Softwareanbieter fragt und agiert, je größer die Chance, dass nicht nur die üblichen Wunder versprochen werden, die später doch nur zu Bambis Tod verhelfen.

Verkäufer brauchen heute Fachkomptenz, Branchen-, Vertriebs- und Menschenkenntnis sowie das Gespür um einen schnellen Wandel im Zeitalter des Internets. Idealerweise ergänzen sich die einzelnen Kompetenzen und Fähigkeiten.

Leider tritt der Begriff des „Fachvertriebs“, der mittlerweile beinahe antiquiert aus dem letzten Jahrtausend wirkt, mehr und mehr in den Hintergrund. Und das obwohl das Wort fachliche und verkäuferische Kompetenzen impliziert. Wie gern erinnere ich mich an die Zeit, in der gestandene Vertreter von bekannten Werkzeugherstellern ihre Produkte und auch komplexe Lösungen adhoc im praktischen Test vorführen konnten. Heute wird man mit Salesdirektoren, Presales-Vertretern und Vice Präsidenten konfrontiert, die mit endlosen Powerpointpräsentationen langweilen und erst nach dem sechsten Meeting einem Produkttest ängstlich zustimmen, um dann mit Heescharen von Beratern einzufallen. Schöne alte Zeit, in der Bauch und Kopfentscheidung zu Vertrauen führte und der Vertrag mit Handschlag abgeschlossen wurde.

Last but not least, was sollten Sie für Ihr Geld noch erwarten können: Gemeinhin wird die Meinung vertreten, dass IT und Humor schlecht vereinbar sind. Im Normalfall werden auch trockene und anspruchsvolle Themen behandelt, wie z.B. das Lizenzmanagement in Unternehmen oder die Kostenstellenpläne in ERP – Lösungen. Aber haben die Entscheider nicht das Anrecht darauf, dass Inhalte von Produkt- und Lösungspräsentationen in einer gewissen Form aufbereitet werden? Hier vermittelt der Vertriebsmitarbeiter seinem zukünftigen Kunden sein persönliches Interesse und bringt damit dem Kunden seine persönliche Wertschätzung dar. Und da auch heute noch bei Kaufentscheidungen der persönliche Kontakt und Sympathien mit entscheidend sind, warum nicht mit ein wenig Unterhaltungswert und etwas Humor. Denn auch trotz des tagtäglichen Wettbewerbs, dem wir uns alle ausgesetzt sehen, hilft in diesen Situationen oftmals ein Lächeln, welches verbindet und Sympathien schafft.

Holm Egerland
nach BWL-Studium in Bremen / Bielefeld seit 20 Jahren in der IT-Branche und nun Partner Executive int. IT Services bei EDAG GmbH & Co KGaA Fulda.

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