Den guten Seemann erkennt man bei schlechtem Wetter

Von Georg Wesinger

Krisen sind anstrengend und bergen immer Risiken. Erfahrene Vertriebsprofis wissen wirtschaftlich instabile Phasen dennoch als große Chance zu nutzen. Wie schaffen es die professionellen Vertriebsmanager, ihre Organisation als großen Sieger aus der drohend Umsatzkrise zu führen?

Die momentane Wirtschaftslage ist angespannt, Unternehmen sind verunsichert und reagieren nervös auf jede Bewegung im Markt. Steuern wir in eine neue Wirtschaftskrise? Und: Trifft es uns wieder so hart wie beim letzten Mal oder haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Skepsis ist angebracht, denn bei einem Umsatzrückgang  laufen in nahezu allen Vertriebsorganisationen meist die gleichen Automatismen ab, die am Ende einen unnötigen Kollateralschaden verursachen können.
Klar ist, dass ein „Totalschaden“ absolut überflüssig ist und es konkrete Maßnahmen gibt, diesen abzuwenden. Die Erkenntnis aus den vergangenen Krisen zeigt deutlich, dass das Senior Vertriebsmanagement als Schlüsselstelle gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen durch intelligente Führung seines Teams einen strategischen Wettbewerbsvorteil im Markt erzielen kann.
Hier zeigt sich allerdings auch immer wieder, ob ein Vertriebschef dieser anspruchsvollen Aufgabe gewachsen ist und seine „Hausaufgaben“ gemacht hat.
Blicken wir zunächst kurz auf den bisher üblichen automatischen Ablauf bei Rückgang des Wirtschaftswachstums:
Aufgrund der Verunsicherung werden Budgets kurzfristig „eingefroren“, Projekte verschieben sich, Entscheidungen werden vertagt. Die wachsende Nervosität lähmt das Investitionsverhalten bis die Unternehmen in eine Art Schock-Starre geraten. Natürlich wirkt sich diese Entwicklung auf den Forecast nahezu jeder Vertriebsorganisation aus. Ein Umsatzrückgang ist programmiert und kann in der Regel nie ganz abgewendet werden.
Bis zu diesem Punkt sprechen wir von externen Einflussfaktoren, die so praktisch nicht zu beeinflussen sind. Die Vertriebsorganisation sollte sich daher auf diejenigen Bereiche konzentrieren, die man selbst steuern kann, demnach auf die strategische Ausrichtung und die taktischen Maßnahmen als Antwort auf diese Entwicklung.
Viel zu häufig laufen immer noch bei vielen Vertriebsorganisationen als Reaktion fol-gende Automatismen ab:
Da die Umsatzzahlen hinter den Erwartungen bleiben und die Prognosen wiederholt revidiert werden müssen,  beginnt das Management das Vertrauen in die Mannschaft zu verlieren. Die Vorgaben werden daraufhin enger gesteckt, umfassende Programme und Maßnahmenpläne werden definiert. Mit diesen erhöht sich auch der Aufwand an Reporting. Dadurch wiederum wird die „Netto-Verkaufszeit“, die der Verkäufer mit dem Kunden verbringen kann, reduziert. Das reduziert folglich auch die Erfolgschancen. Der Druck erhöht sich weiter und überträgt sich auf den Kunden. Das Vertrauen der Kunden wird überstrapaziert und weitere Aufträge brechen weg. Der Umsatz sinkt weiter. Schnell wird ein Schuldiger gesucht und als letzte Konsequenz der Verkäufer entlassen. Es entstehen Vakanzen, die wieder viel Zeit (durchschnittlich 12 Monate bis zur vollständigen Produktivität) und finanzielle Mittel (Abfindung, Personalberatung, Ausbildung, etc.) beanspruchen. Der dabei entstandene Schaden ist dadurch oft um ein vielfaches höher als nötig. Wie sollten Sie sich vorbereiten, bzw. alternativ aufstellen, damit Sie nach kritischen und wirtschaftlich angespannten Phasen mit Ihrem Unternehmen als die großen Gewinner hervorgehen?  Auf was kommt es wirklich an? Im Kern zielen die Handlungsoptionen auf drei Bereiche ab:

Sicherheit & Vertrauen
Jede Persönlichkeit hat ihre eigene Verhaltensweise und ihre eigene Zeitspanne, wie sie mit Extrembelastungen, Druck und „Bedrohungen“ umgeht. An dieser Stelle ist die emotionale Intelligenz des Vertriebsleiters als Coach gefragt. Den einzelnen Mitarbeiter stützen sowie Mut und Selbstvertrauen fördern, um auch den vorprogrammierten Konflikt im Team abzuwenden. Ebenso wie die weichen Faktoren schaffen hier auch Präzision und Qualität in der Arbeit zusätzliches Vertrauen. So ist gerade in kritischen Phasen eine absolute Verlässlichkeit und eine ausgeprägte Genauigkeit des Umsatz-Forecasts unerlässlich. Denn immer wenn die Planzahlen überraschend nach unten re-vidiert werden, sinkt auch das Vertrauen. Eine fatale Abwärts-Spirale, die unglaublich schwer gedreht werden kann. Die Situation realistisch einzuschätzen, bringt Vertriebsorganisationen in die Lage, klar zu planen. Ein professionelles EDV-System unterstützt den Vertrieb bei dieser Aufgabe.

Klarheit & Richtung
Professionelles Vertriebsmanagement erkennt jede Veränderung im Markt frühzeitig und behält die Situation klar im Blick. Die Strategie ist langfristig ausgerichtet, steht solide auf mehreren Säulen und wird auch durch einen Umsatzrückgang nicht komplett umgeworfen. Der Vertriebschef zeichnet sich hier durch eine kontinuierliche und klare Kommunikation als visionärer und inspirierender Leader aus. Diese Klarheit schafft eine belastbare Beziehung zu seinen Mitarbeitern und bindet die Leistungsträger an das Unternehmen. Mit Augenmaß werden exakt die Maßnahmen definiert und präzise umgesetzt, um langfristig Kurs zu halten und nach der Krise schnell als Gewinner durchzustarten. Ganzheitliche Vertriebsführung setzt neben der Messgröße Umsatz auf weitere, individuell ausgearbeitete „Key Performance Indicators“ (KPI).
Jeder Account Manager hat daher einen passgenauen Fahrplan zur Umsetzung der Strategie und wird neben der Erreichung des Umsatzziels auch an der erfolgreichen Umsetzung der weiteren KPI gemessen. Der Vertriebsleiter kann somit die „echten“ Verkaufsprofis in seinem Team deutlich besser erkennen und führen.

Energie & Durchhaltevermögen
Da sich der maßgebliche Erfolg des Vertriebs über den Umsatz definiert, sind umsatzschwache Phasen immer eine besondere Belastungsprobe für den Account Manager. Der Vertriebsleiter in seiner Rolle als umsetzungsstarker Macher geht mit Leidenschaft und gutem Vorbild voran, überzeugt dadurch und reißt sein Team mit.
Ist die Basis durch die beiden vorangegangenen Punkte geschaffen, haben Krisenzeiten sogar das Potential, den Zusammenhalt im Team zu stärken. Konsequente und präzise Umsetzung aller wichtigen Maßnahmen ist dennoch unbedingt erforderlich. Grundlagen des Vertriebshandwerks, wie zum Beispiel der kontinuierliche Aufbau und das Managen der Projekt-Pipeline, stehen absolut im Fokus. Der Verkäufer sollte in dieser Phase so oft wie möglich beim Kunden sein, lösungsorientiert beraten und die Basis für das gemeinsame Wachstum nach der Krise schaffen.
So entsteht auch hier eine belastbare Beziehung, die unglaubliches Potential für die Zukunft bietet.

Leitfaden für stürmische Zeiten

Sicherheit & Vertrauen:

  • Vertriebsleiter handelt als Coach emotional intelligent
  • Mut und Selbstvertrauen gezielt fördern
  • Teamarbeit und Zusammenhalt unterstützen
  • Verlässlichkeit und Forecast-Genauigkeit
  • Überraschungen vermeiden
  • Realistische Einschätzung der Situation
  • Planung mit Fingerspitzengefühl und klarem Verstand

Klarheit & Richtung:

  • Der Vertriebschef in der Rolle des visionären Leaders
  • Vertriebsstrategie  langfristig auf mehrere Säulen ausrichten
  • Kontinuierliche, klare Kommunikation
  • Klarheit schafft belastbare Beziehung
  • Maßnahmen mit Augenmaß definieren, präzise umsetzen
  • Ganzheitliche Vertriebsführung durch Umsatz UND KPI

Energie & Durchhalten:

  • Vertriebschef als umsetzungsstarker Macher:
  • Vorbild mit Leidenschaft inspiriert und reißt die Mannschaft mit
  • Konsequente und professionelle Umsetzung
  • Permanenter Fokus auf die Projektpipeline
  • „Netto-Kundenzeit“ maximieren
  • Lösungsorientierter, beratender Verkauf

Georg Wesinger
18 Jahre im Vertrieb, neun als Vertriebsdirektor für EDV-Firmen in Zentraleuropa, heute Geschäftsführer der Exactive Vertriebsberatung GmbH in München.

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